PRODUKTIONEN

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fragments of desire

Saskia Hölbling entzieht sich in ihrer aktuellen Arbeit “fragments of desire” linearer Narrative, um dem Publikum einen freien Blick auf die Welt zu geben. Dafür katapultiert uns DANS.KIAS mitten in eine kaleidoskopische Auffächerung menschlicher Zusammenkünfte, sprachlicher Einbettungen und situationsbedingter Absurditäten. In “fragments of desire” skizziert Hölbling choreografisch unterschiedlichste Situationen, die sich sowohl auf globale Ereignisse beziehen, genauso aber auf solche, die uns im täglichen Leben beschäftigen.


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Damit eröffnet “fragments of desire” paradoxe und berührende Sichtweisen auf uns Menschen mit all unseren Eigenheiten. Und zeigt, wie orientierungslos wir manchmal sein können, wenn sich die Zeichen um uns verändern. Dass immer alles in Veränderung begriffen ist, obwohl wir uns nach Halt und Kontinuität sehnen. “fragments of desire“ verweist auf die Fragilität der Topographien und Strukturen, die uns umgeben, die Macht der Worte, der Bilder und der Berührungen, aber auch ihrer Flüchtigkeit.


Uraufführung: 16. Jänner 2024, Das Off.Theater, Wien/AT, Dauer: ca. 60 min.
Weitere Vorstellungen: 17. - 20. Jänner 2024, Das Off.Theater, Wien/AT

Künstlerische Leitung, Regie: Saskia Hölbling; Tanz, Choreografie: Saskia Hölbling, Ardan Hussain, Leonie Wahl; Video: Evi Jägle; Musik, Komposition: Heinz Ditsch; Texte: Saskia Hölbling, Leonie Wahl; Licht: Reto Schubiger, Tontechnik: Miriam Jochmann; Videotechnik: Jakob Figo; Videodokumentation: Maximilian Pramatarov; Produktion, Presse: Simon Hajós


Rezensionen

Atompilz voller Zuversicht: Saskia Hölblings "fragments of desire"

Helmut Ploebst, der standard, 17. Jänner 2024

Die Wiener Choreografin untersucht im Off-Theater das Gleichgewicht zwischen gesellschaftlichen Wünschen und Enttäuschungen.

Das klingt einigermaßen beruhigend: "Die Bilder sind überbordend, aber nachvollziehbar." Aber im nächsten Atemzug bekommt die Sedierung Sprünge: "Die Worte haben nichts mehr zu sagen, aber das geht vorbei." Und so kann ein Witz über die beliebte Schönrednerei nicht ausbleiben: "Der Atompilz steigt auf, aber voll Zuversicht."

Harmlos ist "fragments of desire", die neue Arbeit der Wiener Choreografin Saskia Hölbling, also nicht. Im Off-Theater erlebt sie jetzt ihre Uraufführung – und hält, was ein Preview im Dezember versprochen hat: Da wird mit präzisen künstlerischen Instrumentarien gemessen, wie es derzeit um das Gleichgewicht zwischen gesellschaftlichen Wünschen und Enttäuschungen steht.

Weil diese Messung in einer Gegenwart stattfindet, auf deren Komplexität keine Kunst mehr hinweisen muss, legen Hölbling und Leonie Wahl als Tänzerinnen und der Tänzer Ardan Hussain in dem Stück eine vereinfachend fragmentarische Struktur an. Zwischen Tanz und Musik, Texten und digitalen Videoanimationen entstehen so Umrisse einer emotionalen und rationalen Überforderung. Nicht als Abgesang, sondern als Bewältigungsversuch und Bestreben, das Kippen in die Abgründe der Enttäuschung doch noch abzuwenden.

"fragments of desire" führt eine grundsätzliche Verstörung vor, aber das Trio konzentriert sich, diese nicht in Panik münden zu lassen. Mit Erfolg. Das Stück bricht weder auseinander noch driftet es in Zynismus ab. Hölbling beweist, dass es nicht nötig ist, aus dem Tanz zu flüchten, um brisante Inhalte performativ aufzubereiten. Und ihr gelingt ein Hinweis darauf, dass es nicht exklusiv die Sprache ist, die unsere Wirklichkeit formt, sondern soziales Verhalten und Handeln die Sprache gestaltet.



DANS.KIAS: „fragments of desire“

Rando Hannemann, tanz.at, 21. Jänner 2024

„Als wäre die Welt ein Honigschlecken!“ Die innige Verbindung von Form und Inhalt ist nicht immer so konsequent zu erleben wie hier. Tanz, Theater, Text, Sprache, Visual Art, Musik und Sound, Installation. Und Bilder, Nachrichten, Informationen, Situationen. Und Gedanken, Emotionen, Zustände, Sinneseindrücke. Aus diesen Werkzeugen, dem Außen und dem Innen mixt Saskia Hölbling mit ihrer Kompanie DANS.KIAS ihre im OFF-Theater Wien uraufgeführten „fragments of desire“. Es ist ein Durcheinander von kurzen Sequenzen, die mit eben dieser Anordnung, ihrem jeweiligen performativen Charakter und den in ihnen thematisierten Aspekten wie das richtige Leben auf uns einprasseln. Evi Jägle zeigt in ihren Video-Animationen in Hochgeschwindigkeit ablaufende Serien von Bildern und Filmen, die Krieg und Zerstörung, einen auf sich gestellten Menschen bei der Konfrontation damit und Widerstand und Demonstrationen aus allen Regionen dieser Welt und dazu des urbanisierten Menschen destruktives Sein ins Auditorium hämmern. Tänzerisch-performativ wird gelitten, gezweifelt, verzagt, gesucht, getrotzt, gekämpft, gehalten und geliebt.

„Der Atompilz steigt auf, aber voller Zuversicht.“ Den Zynismus interessengetriebener Argumentation, ob politisch, gesellschaftlich oder individuell, fassen sie in poetische Worte. Die Texte von Saskia Hölbling und Leonie Wahl entlarven einerseits populistische Verkürzungen, sie stellen andererseits das Intentiöse an der Argumentation auch der menschenverachtendsten und zerstörerischsten Taten bloß. Hölblings Lyrik mündet in Paradoxien, deren Wirklichkeitsverweigerung und dissoziative Attitüde Bild einer beklemmenden, individuellen intrapsychischen Realität sind. Und die erzeugt Unbehagen.

Die Fülle, Diversität und Komplexität der Welt, in der wir leben und insbesondere die medial und real omnipräsente, gegen Mitmensch und Planeten gerichtete Destruktivität des Menschen sind zunehmend erdrückend. Es ist der Mensch selbst, dessen Wahrnehmung als primitives zerstörerisches Wesen entmutigt. Was folgt, ist ein Leben, das am Abgrund der Verzweiflung balanciert. Eine qualifizierte Verarbeitung der bewusst und unbewusst aufgenommen Eindrücke und Informationen ist nicht mehr möglich, eine Positionierung in unserer Welt erscheint illusorisch. Die Herausforderungen münden in Überforderung. Das Bemühen der drei PerformerInnen, eine Strategie für dem Umgang damit zu finden, läuft ins Leere. Die emotionalen Wirrnisse hinterlassen Verstörung und inneres Chaos als Abbild des Außen. Tanz als Ausdruck des Unnennbaren, Sex als Narkotikum, verzweifelte Schreie als Ventil.

Dass künstlerische und Lebenserfahrung tänzerische Strahlkraft mit sich bringen, zeigen die drei einzigartigen TänzerInnen Saskia Hölbling, Leonie Wahl und Ardan Hussain (alle über Mitte 40) in ihren vielen Soli und Duetten. Jeder hat seine Momente, die unter die Haut gehen. Saskia Hölbling zum Beispiel berührt mit einem schon im ersten Showing im Dezember gezeigten Solo. Sie spürt in sich hinein, um zu erkennen, was passiert und was mit ihr passiert. Orientierung suchen auch Ardan Hussain, er tanzt die dynamischsten Soli, und Leonie Wahl. Letztere presst in theatralen Szenen erst im zweiten Versuch erfolgreich ganze Worte aus sich heraus. Unsortiert wie ihr Innenleben.

In dieser Arbeit wird die Geschichtsschreibung auf ihre Füße gestellt. Das Faktische der Welt und die Widersprüchlichkeit der Werte erzeugen Emotionen und Befindlichkeiten, die sich tief in die Psychen der Beteiligten und Betroffenen einbrennen und die über Generationen hinweg weit in die Zukunft vererbt werden. Verunsicherung und Angst wirken von unten in die Gesellschaft hinein. Der Zulauf, der die populistischen Vereinfacher weltweit in Politik und Gesellschaft stärkt, liegt hierin begründet. Und nebenbei werden hier auch die alte These von Marx „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ und die neue von der bewusstseinsformenden Kraft der Sprache hinterfragt. Das führt das Stück über eine Bestandsaufnahme hinaus.

Sprunghaft wechseln die Gefühlslagen, Begierden und Bedürfnisse, die Impulse und Triebe, die emotionalen und rationalen Strategien. Sie performen auch verzweifelte Versuche, der Verunsicherung durch gewaltsame Aufrechterhaltung des status quo zu entrinnen. Über allem aber liegt eine ungeheure Zerbrechlichkeit. Das Temporäre wird zum alles einenden Aspekt. Häufige, heftige Brüche jagen das Publikum durch „fragments of desire“, ohne das Stück selbst zu fragmentieren. An seinem Ende liegen die verblassten Schriften der Gelehrten, die Geschichten der Leben der Menschen, ihre Träume, Hoffnungen, Wünsche und möglichen Zukünfte, ihr Schmerz und ihre Ängste als Trümmerhaufen vor uns. Als ein zusammen geknülltes Bündel verendet die lange Bahn aus Papier, vorher mit Farbe und mit Tanz beschrieben, auf der Bühne. Leider viel zu kurz hält das Schlussbild. Keine Zeit für Besinnung und Reflexion, die nach einer so komplexen, dichten Arbeit wünschenswert gewesen wäre.



Eine DANS.KIAS Produktion. Subventioniert von der Kulturabteilung der Stadt Wien. In Kooperation mit dem Off.Theater.


inhabit the impossible

Mit "inhabit the impossible" ging DANS.KIAS das Wagnis ein, das Unvorstellbare, das Unmögliche in den Mittelpunkt eines transdisziplinären Projektes zu stellen.

Seit dem Frühjahr 2021 besprechen sich die Choreografin und Tänzerin Saskia Hölbling und der Philosoph Arno Böhler dazu regelmäßig und laden in Folge Menschen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Hintergründen ein, Gedankenräume zu öffnen und dem Habitat des Unmöglichen Boden zu bereiten. Gemeinsam mit den Tänzer_innen Ardan Hussain und Leonie Wahl, der Medienkünstlerin Evi Jägle, der Quantenphysikerin Tanja Traxler sowie dem Videokünstler Kay Walkowiak und dem Musiker und Komponisten Heinz Ditsch wurden neue künstlerische Strategien entwickelt und die Möglichkeiten des Unmöglichen ausgelotet.


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Mythologie und Science-Fiction reichen einander die Hand, Phänomene abseits unseres Vorstellungsraums eröffnen neue Möglichkeiten und zwischen Intuition, Gedankenblitzen und flüchtigen Formeln des Lebens entstehen neue Lebensräume. Wir laden ein, diese Habitate des Unmöglichen mit uns zu erfahren.


Uraufführung: 17. Jänner 2023, WUK, Wien/AT, dauer: ca. 2 Stunden.

FIELD-PERFORMANCE INHABIT THE IMPOSSIBLE
Künstlerische Leitung, Gesamt-Regie: Saskia Hölbling; Wissenschaftliche Leitung, Philosophie: Arno Böhler; Choreografie, Tanz, Performance: Saskia Hölbling, Ardan Hussain, Leonie Wahl; Lecture-Performance: Arno Böhler, Susanne Valerie Granzer; Medienkunst: Evi Jägle; Videokunst: Kay Walkowiak; Quanten-Physik-Performance: Tanja Traxler; Musik, Sounddesign: Heinz Ditsch; Lichtdesign: Reto Schubiger; Kostüme: Evi Jägle & DANS.KIAS; Bühne: Marco Tölzer; Produktion & Öffentlichkeitsarbeit: Simon Hajós; Videodokumentation: Maximilian Pramatarov

GAST-PERFORMANCE
Black Hole: Jyoti Dogra

ÖFFENTLICHER WORKSHOP INHABIT THE IMPOSSIBLE
Doktorand:innen-Team: Michael Boch, Elke Pichler, Mira Magdalena Sickinger
Lichtinstallation: Elisabeth Wildling
Artistic-Research: Janhavi Dhamankar





Rezensionen

Und Adonis furzt

Verena Franke, Wiener Zeitung, 18. Jänner 2023

Saskia Hölbling fordert ihr Publikum. Also einfach nur in ihre Performance reinzusetzen und das zu Sehende wirken zu lassen, ist der Wiener Choreografin immer schon zu wenig gewesen. In ihrem aktuellen Stück "inhabit the impossible", das am Dienstag im WUK Premiere hatte, geht sie noch einen Schritt weiter als üblich, da ist zuhören und mitdenken bis zum Schluss notwendig. Und zwar 120 Minuten lang. Seit dem Frühjahr 2021 arbeitete die Choreografin mit unterschiedlichen Personen zusammen und Seite an Seite mit dem Philosophen Arno Böhler, um die Möglichkeiten des Unmöglichen zu erforschen. Gemeinsam mit den Performern Ardan Hussain und Leonie Wahl, der Medienkünstlerin Evi Jägle, der Quantenphysikerin Tanja Traxler, dem Videokünstler Kay Walkowiak sowie dem Musiker und Komponisten Heinz Ditsch ist ein opulentes, transdisziplinäres Werk gelungen, das alle Sinne fordert: Da gibt es auf Hölblings Bewegungsrepertoire basierende Bewegungsszenen in allen möglichen Formationen verteilt im ganzen Raum mit aussagekräftigen Requisiten, abgelöst von Videoprojektionen auf drei Leinwänden und unzähligen Textfragmenten. Erklärungen von Böhler und Jägler verdeutlichen das performative und philosophische Konzept des Raums und der Zeit. Es trifft Vergangenheit auf Zukunft, Gott Chronos auf Umweltverschmutzung. Und Adonis furzt. Sehenswert!



Das Mögliche im Unmöglichen

Paul Delavos, tanznetz, 20. Jänner 2023

(...) Mit ihrer aktuellen Produktion, einer „cross-disciplinary field-performance“, fordert die Choreographin Saskia Hölbling das Publikum. Zu sehen ist eine Mischung aus Tanz, Video, Klang sowie philosophischen und quantenphysikalischen Lectures. (...) (...) Die tänzerischen Momente sind von großer Körperlichkeit und Impulsübertragungen geprägt. Vieles wirkt sehr zart, fast verletzlich; große Gesten bzw. Szenen sind nicht zu sehen. Der Komponist Heinz Ditsch liefert dazu den passenden Klangteppich. (...)



Saskia Hölbling und Jyoti Dogra im WUK Wien

Rando Hannemann, tanz.at, 27. Jänner 2023

Was ist das Unmögliche und wie verhält es sich zum Möglichen, zur Wirklichkeit? Welche Bedeutung, welchen Wert kann man ihm beimessen? Und wie könnte sich eine performative Auseinandersetzung mit diesen Fragen gestalten lassen? Die Wienerin Saskia Hölbling mit ihrer Kompanie DANS.KIAS und der Philosoph Arno Böhler sprengen in ihrer hier uraufgeführten Arbeit „inhabit the impossible“ die Grenzen von Kunst, Philosophie, Physik, Mythologie und Science-Fiction und verbinden sie zu einer anspruchsvollen, dichten Cross-Disciplinary Field Performance. Mit ihrer im Anschluss gezeigten Performance „Black Hole“ krönt die indische Performance-Künstlerin Jyoti Dogra das insgesamt dreiteilige Event.

Der sich über mehr als ein Jahr lang erstreckende Austausch zwischen der künstlerischen Leiterin Saskia Hölbling, Choreografin und Tänzerin, dem wissenschaftlichen Leiter Arno Böhler, den TänzerInnen Ardan Hussain und Leonie Wahl, der Medienkünstlerin Evi Jägle, der Quantenphysikerin Tanja Traxler, dem Videokünstler Kay Walkowiak und dem Musiker und Komponisten Heinz Ditsch mit dem Ziel, „die Möglichkeiten des Unmöglichen“ zu erforschen, mündete in eine multidisziplinäre Arbeit, in der sich alle Beteiligten, von ihren künstlerischen respektive Forschungs-Arealen ausgehend, auf einem gemeinsamen Bühnen-Feld begegnen.

Vorangestellt war dieser Premiere ein sieben Tage zuvor stattfindender, fast dreistündiger offener Workshop mit den Philosophie-DoktorandInnen Michael Boch, Elke Pichler und Mira Magdalena Sickinger von der Vienna Doctoral School an der Universität Wien. Philosophische, literarische und poetische Texte, die Fundamente des indischen Yoga, diskursiv-performative Partizipation des Publikums – die entstandenen Ergebnisse vermochten zu überraschen - und ein Tanzstück der indischen Tänzerin und Philosophin Janhavi Dhamankar in einer Licht- und Rauminstallation von Elisabeth Wildling, das dem westlichen Denken in Polaritäten die östliche Alternative des Sowohl-als-auch gegenüberstellte, verschränkten Geisteswissenschaft und Kunst, Intellekt, körperliche und sinnliche Erfahrung. Als voraussetzungslos dem Publikum offeriert erwies sich der Workshop, als eigenständiges Format durchaus wert- und sinnvoll, doch als ein, in seinen theoretischen Teilen, dem philosophisch Vorgebildeten und Aktiven angedientes. Als Kontrapunkt zur Freude am Denken die Tanzperformance als kluge, die Polarität überwindende physische Reflexion.

Die Performance „inhabit the impossible“ bespielte die große runde Bühne (von Marco Tölzer), in drei von drei Leinwänden verbundenen Fraktionen vom Publikum umsessen und mit kreisrunder Lehmfläche und flach bewässertem Oval die ZuschauerInnen in die Aktionen auf dieser (Bühnen-) Erde und in die Mitverantwortung für sie hineinziehend, als spartenspezifisches und - durchdringendes Experimentierfeld zugleich. Und wie tanzt man das Unmögliche, das partiell zu Möglichem, zu Wirklichkeit wird und damit wieder neue Möglichkeiten generiert? Die Teilchen-Fluktuation im Vakuum (aus der darin vorhandenen Energie entstehen für kürzeste Zeiteinheiten Materie-Teilchen, die sofort wieder zerfallen) wird zu einem Fluktuieren von Gedankensplittern, das, in die Bewegung hinein geäußert, mit seiner Unmittelbarkeit und Zusammenhanglosigkeit jenes physikalische Prinzip widerspiegelt. Ebenso der Tanz. Sie formen allein, zu zweit, zu dritt Skulpturen, die, kurz innehaltend im Fluss der Bewegung, Entstehen und Vergehen von Körperlichkeit in physischen Energiefeldern beschreiben.

Die Verschränkung von Teilchen, die über unlimitierte Entfernungen im Universum und ohne Zeitdifferenz (die Frage, ob die Lichtgeschwindigkeit tatsächlich die maximal Mögliche ist, wird dadurch dringlich aufgeworfen) kommunikativ miteinander verbunden bleiben, wird zur Verschränkung von Körpern, die sich gegenseitig durchdringen, ohne sich zu berühren. In ihren Graumännern scheinen sie auf dem Tisch den von der Physikerin beobachteten Vorgang von Verschränkungen, die Suche nach einer Möglichkeit der Bindung nachzustellen. Video-Animationen und Foto-Arbeiten von Kay Walkowiak, die die Performance auf den drei Leinwänden begleiteten, zeigten Welten aus animierten Planetenmodellen, mystische Orte der Natur, Fragmente menschlicher Zivilisation oder der Fantasie entsprungene virtuelle Realitäten. Die Fotos, zentral gespiegelte Aufnahmen unwirklicher Realitäten, schienen wie Paare verschränkter Teilchen, die mit gegensätzlichem Spin ihre fortan getrennten Bahnen ziehen wollen.

Ob mit pulsierendem dunklen Dröhnen oder kreischenden Bläsern, quietschenden Streichern in dissonantem Staccato oder hellen Zimbals, die Bandbreite der Klänge von Heinz Ditsch zwischen elektronischem Sound und akustischer Musik steht für die Bandbreite der Themen des Stückes und begleitet die Performenden wie das Lichtdesign von Reto Schubiger – von partiellen Aufheiterungen abgesehen großenteils bedeckt. Humorig geht Arno Böhler ans Werk. Seine aus einer der Papp- Röhren und übergestülpter multifunktionaler Metall-Spirale erzeugte „Wirbel-Säule“ steht für sein Bemühen, die Schwere und Ernsthaftigkeit der Thematik mit spielerischer Attitüde aufzuweichen. Mitgeliefert in diesem Bild der Hinweis auf die Fülle von Metaphern in diesem Stück.

Was sie sonst zur Sprache bringen (Saskia Hölbling zeigt sich nebenher auch als beachtenswerte Poetin), fordert neben beständiger Aufmerksamkeit ein Grundlagenwissen um philosophische und physikalische Erkenntnisse. Damit ausgerüstet finden die immense gedankliche Bandbreite und Dichte, die Poesie der sprachlichen wie physischen Bilder und der dramaturgische Witz seine Destination in den Hirnen und Herzen. Reflexionen über das Wesen der Zeit, Duplizität und chronische Wiederholungen, über die Kunst als einen Ort für das Unmögliche, über Schönheit, den Teufel und den Tod, über das Unvollständige, Unvollkommene jedes Abbildes der Wirklichkeit, über das Oben und Unten des Meister Eckhart, über Nitzsches Zarathustra und Spinosas Immanenz ohne Transzendenz und seine damit philosophisch vorweggenommenen physikalischen Erkenntnisse, über das und die Falten des Raumes, über Schrödingers Katze in ihrem Überlagerungszustand von Leben und Tod und dessen quantenphysikalische Realität ...

Und sie sparen nicht mit Kritik. In Plastik gekleidet im ovalen Meer, der Mensch am Ende aller Nahrungsketten, als selbstherrliche Krone der Schöpfung und Beherrscher der Natur und als doch nur deren Zerstörer. Bild auch für das Sägen am Ast, das Abweisen der nährenden Hand. Sie stellen die kurzsichtige Dummheit aus, die Rücksichtslosigkeit gegen die Umwelt und sich selbst. Von der Gier genährt. Wie ein hoch oben thronender Herrscher steht der Mann auf einer Leiter, mit Nylonstrumpf-verhängtem, trieb-getrübtem Blick, an langen Papp-Röhren zwei Frauen dirigierend. Die ihn gleichzeitig stützen. Mythologien (wenigstens die okzidentalen) und die mächtigen Figuren in ihnen sind vorrangig männlich dominiert. Das Unmögliche des Patriarchats hat sich ein- und festgeschrieben in Geschichten und Geschichte.

Was der Mensch hat entstehen lassen? Was er aus der Fülle an Möglichkeiten in die Wirklichkeit gehoben hat? Kapitalismus, Wegwerfgesellschaft, Verschwendung an Ressourcen, Ausbeutung seines Gleichen und des Planeten. Der Weg hinaus? „Der Wolf verneigt sich vor dem Schaf.“ Und: „Khronos ermüdet ...“ Fluktuation von Gedanken, Gesten, körperlichen Zuständen, räumlichen Beziehungen, Möglichkeiten und Wirklichkeiten. Im Größeren betrachtet, durch das raumzeitliche Fernrohr, fluktuieren auch Leben in eine ewige mögliche Wirklichkeit, wiederholen in Variationen ihr eigenes Sein, fluktuieren Zeitalter und bilden so im Großen jene chronisch-chronologische Wiederkehr ab, machen, je nachdem wie man den Zeiten-Zoom justiert, das Unmögliche möglich. Und vielleicht auch umgekehrt.

Im Anschluss an die letzten drei der fünf Vorstellungen von „inhabit the impossible“ zeigte die indische Performance-Künstlerin Jyoti Dogra, die auf Einladung von Arno Böhler und Susanne Valerie Granzer aus ihrem Heimatort Mumbai für die Präsentation anreiste, ihre Arbeit „Black Hole“. Sie entwickelt in den 90 Minuten ein Stück über das Sterben (einer krebskranken Frau). Sie spielt in beeindruckender Authentizität und Dynamik Gedanken- und Gefühlswelten (mehrfach weint sie echte Tränen), sie findet in den Singularitäten in Schwarzen Löchern und in uns überraschende, in einer Verschränkung aus physikalischen Erkenntnissen und psychologisch-spirituellem Tiefenwissen Parallelitäten, die sie in ungemein kluger Poesie und tief berührendem Spiel verdichtet zu einer Arbeit von selten zu erlebender Intensität. Fesselnd vom ersten bis zum letzten Augenblick.

Philosophische Gedanken und Erkenntnisse und Entdeckungen der jüngeren Physik-Geschichte - insbesondere, aber nicht ausschließlich aus der Quantenphysik - auf ihre metaphorische Bedeutung untersucht und künstlerisch in Bilder gesetzt, verdichtet in hochkomplexen, teils spielerisch aufbereiteten, herausfordernden und nicht nur die Welt der Kunst bereichernden Arbeiten. „inhabit the impossible“ und Black Hole“ setzen Maßstäbe. Bezüglich eines so dringend notwendigen, Spartengrenzen niederreißenden ganzheitlichen Ansatzes in der Betrachtung der Welt und des Menschen und ihrer spirituellen Dimension. Und wenn sie gestorben ist, dann wird nicht alles von ihr zu Erde. Es entweichen ein paar Helium-Atome in die Atmosphäre, durchdringen diese und machen sich auf die Reise zum nächstgelegenen Schwarzen Loch. Richtig? Und wenn sie mit 6000 km/s fliegen, kommen sie dort, in dessen Singularität, in etwas mehr als 1,2 Millionen Jahren an. Unmöglich ist es also nicht, diese (und unsere) Singularität zu erreichen. Was wir dazu brauchen? Wie immer im Leben: Demut, Hoffnung und Zuversicht. Und ein wenig Geduld.



Eine DANS.KIAS Produktion, Koproduziert mit dem WUK performing arts. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport.


through touches

Saskia Hölbling setzt sich in ihrem Stück „through touches“ mit der Kraft der Berührung auseinander. Die Berührungen finden anfangs subversiv statt, dann nach und nach ausufernd - ohne jegliche Zweckmäßigkeit, ohne Vorbehalte, absichtslos, aber nach mehr drängend. Auf einer leeren weißen Fläche treffen drei Menschen aufeinander. Nichts stellt sich ihnen entgegen, einer leeren Seite gleich. In Ermangelung an Dingen oder anderer Ablenkungen beginnen sie sich zu zeigen, sich miteinander zu beschäftigen und sich aufeinander einzulassen.

Tanz der Berührung
In einem fragilen Tanz der Berührungen schaffen sie sich einen intimen Raum, der ihre Körper durchlässig werden lässt und ihnen erlaubt, sich die Impulse des anderen zu eigenen zu machen und umgekehrt. Einander zu lesen.


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Sein im anderen
Vorsichtig bis hastig wird aneinander probiert, Körper zu Körper, Körper an Körper - zart und fordernd, unbeholfen und hingebungsvoll, Füße auf Bauch, Gesicht in Achselhöhle, Arm um Knie. Die Körper tauchen ineinander, als berge die Haut das Geheimnis des Zugangs zum anderen. Als öffnete sich damit das Tor zu einer nie dagewesenen Form der Begegnungsmöglichkeit.

Sich wieder einlassen
"Berührungen oder Begegnungen mit Menschen kann man weder anklicken noch wegwischen, sie sind individuell völlig unterschiedlich und damit ganz besonders. Aber es braucht Zeit, sich auf den anderen einzulassen, ein Innehalten und Zuhören. In den Proben haben wir uns diese Zeit gegeben und es war unglaublich schön zu sehen, wie unorthodox, skurril und absurd manche Reaktionen auf den anderen ausfallen, aber nie gab es ein zu viel, oder zu befremdlich, oder zu peinlich, und das hängt ursprünglich mit dem „einlassen auf den anderen“ zusammen. Welch omnipräsente Utopie in globalen Zeiten“, so Hölbling über den Zugang zu ihrer Arbeit.

Uraufführung: 08. August 2021, WUK, Wien/AT, Dauer: ca. 60 min.

Regie, Choreografie: Saskia Hölbling; Tanz, Performance: Ardan Hussain, Saskia Hölbling, Leonie Wahl; Musik: Heinz Ditsch; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Produktion, Management: Simon Hajós


Rezensionen

"through touches": Saskia Hölbling berührt bei ImPulsTanz

Sonja Harter, Salzburger Nachrichen, 09. August 2021

Wer im vergangenen Jahr das Bedürfnis hatte, jemanden zu trösten - einen Arbeitskollegen oder eine Freundin - stieß auf ein Hindernis: Corona. Den pandemiebedingten Mangel an Berührung als Hürde in der zwischenmenschlichen Kommunikation nimmt nun Saskia Hölbling im Rahmen des ImPulsTanz-Festivals unter die Lupe. In ihrem Stück "through touches" (Durch Berührungen) exerziert sie im WUK in knapp einer Stunde die unterschiedlichen Intensitäten körperlicher Begegnung durch.

Egal ob ein flüchtiges Streichen über die Wange oder ein Kuss in die Achselhöhle: Berührungen waren seit März 2020 tabu. Dabei war es unerheblich, ob es sich um Freunde, Bekannte oder One-Night-Stands handelte. Der Körper wurde zur potenziellen Gefahr. Diesen Umstand greift Hölbling mit ihrer Compagnie Dans.Kias nun auf. Auf einer weißen Tanzfläche sitzen die Choreografin selbst, Ardan Hussain und Leonie Wahl einander gegenüber, der Zwei-Meter-Abstand ist mehr als gewahrt. Doch dann beginnen sie, sich einander zu nähern. Vom Tonband kommt ein (englischer) Text, der sich den Ausdrucksformen unterschiedlicher Körperteile - von den Fingerspitzen bis zum großen Zeh - widmet. Egal ob im Solo, im Duett oder schließlich zu dritt: Drei Körper, die Berührungen sichtlich nicht mehr gewohnt sind, nähern sich langsam einander an.

Es geht um Gesten, Körper und Raum. Ist es anfangs noch ein zögerliches Streichen über Wange, Kinn oder Schulter, werden die Berührungen immer intensiver - bis sich die unterschiedlichen Körperteile gegenseitig in den Verrenkungen des Tanzes stützen. Hölbling vermag es, in ihrer Choreografie eine Geschichte des Abstandhaltens - und dessen Überwindung - zu erzählen. Diese geschieht langsam: Mal ist es ein Nasenstupser in die Achselhöhle des Gegenübers, dann wieder ein flüchtiger Kuss auf den Bauch. Die Körper (der Compagnie), die einander so gut kannten, müssen neue Wege finden, sich einander anzunähern.

Nach knapp einer Stunde wird die Stimme durch Musik ersetzt: Der Song "Des Armes" (2001) der französischen Band Noir Desir erklingt in einer Live-Aufnahme: die Körper als Waffen. Ein doppeldeutiges Bild am Ende dieses Abends: Im Jahr 2003 erschlug Noir Desir-Sänger Bertrand Cantat seine Geliebte, die Schauspielerin Marie Trintignant, im Rahmen eine handgreiflichen Streits.



"Tanz gegen algorithmische Isolation

Helmut Ploebst, Falter, 09. August 2021

Mit der Magie von Berührungen entzieht Saskia Hölbling sich und ihre Tänzer*innen der Isolation. In "trough touches" eröffnet sich die Vielfalt unserer taktilen Kommunikation. Auch hier gilt der Bezug zur digitalen Prothese: "Berührungen mit Menschen kann man weder anklicken noch wegwischen", sagt die Choreografin. Sich dazu zu bekennen wäre wohl ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Emanzipation gegenüber der Herrschaft von Algorithmen.

Eine DANS.KIAS Produktion In Koproduktion mit dem WUK performing arts.
Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, sowie der Kultur- und Wissenschaftskommission am Alsergrund.


25-Jahr Jubiläum

Mitten in den ersten Lock Down fällt das 25-Jahr Jubiläum von DANS.KIAS. Genau am Freitag, den 13. März 2020 mussten wir – bereits in den Endproben - alles liegen und stehen lassen.

Kein Jubiläumsstück 1. – 4. April 2020 im WUK in Wien „through touches“ - ! no way !

Trotzdem bleibt die Arbeit nicht liegen: - eine 2-stündige Dokumentation über die Arbeiten mit DANS.KIAS seit 1995 entsteht - und 2 Artikel erscheinen, die trotz lock downs das Jubiläum würdigen, einer in der GIFT und einer in der Presse. Das Filmen von „through touches“, das für Anfang Juni geplant war, mit allen Schutzvorkehrungen (damals noch sehr teuren PCR-Tests und Quarantäne) scheitert letzten Endes leider doch.
2 Tänzer ändern ihr Leben und sind nicht mehr Teil des Ensembles. Ich kehre auf die Bühne zurück und aus dem Quartett wird ein Trio.


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Nach einem Sommer mit Licht am Ende des Tunnels doch wieder Dunkelheit: 2021 beginnt mit einem weiteren Lock Down - und wieder keine Aufführungen mit Publikum.

11. - 14. Februar 2021 im WUK wird, allem zum Trotz getanzt und gefilmt.

Kuratoren, Veranstalter und andere erlauchte Gäste dürfen kommen auch Ö1 und die APA sind zu Gast. Arbeiten durften wir ja immerhin und fachinternes Publikum mit Test, Maske und unglaublichem Abstand durfte ja auch kommen. Das fühlte sich richtig subversiv an, war aber klarer Weise nicht sehr kontaktfreudig.

Und dann endlich: 8. und 10. August Premiere vor Publikum im Rahmen von ImPulsTanz im WUK.


Rezensionen

Choreografin Hölbling nutzt Lockdown für neue Projekte

Lukas Wodicka, Salzburger Nachrichten, 15. Februar 2021

Pünktlich zum 25-Jahr-Jubiläum der Compagnie Dans.Kias hätte die Premiere des zeitgenössischen Tanzstücks "through touches" im April des Vorjahres stattfinden sollen. Nun hat das Coronavirus statt des Stücks ein Scheinwerferlicht auf das "urmenschliche Verlangen nach Zusammenkommen" geworfen, stellt die Choreografin Saskia Hölbling im Gespräch mit der APA fest. Die Gründerin von Dans.Kias hat den unfreiwilligen Aufschub aber für die Erarbeitung neuer Projekte nützen können.

Drei Menschen begegnen sich auf einer ansonsten leeren Fläche. Bald bleibt ihnen nicht viel anderes übrig, als sich mal vorsichtiger und mal forscher anzunähern, zu berühren, zu erkunden. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob Fuß auf Bauch, Hand an Hand oder Gesicht auf Fußsohle trifft: Hauptsache Körper an Körper. "through touches" thematisiert damit die "sensible, aber seltsam unbändige Kraft von Berührungen", wie es in der Ankündigung des Stücks heißt - in Zeiten einer Pandemie ein spannendes Thema.

Doch die Idee existierte bereits, bevor das Virus die Kulturbranche weitgehend stilllegte. "Es ist aus der Beobachtung heraus entstanden, dass in der Welt, durch die wir laufen, kaum mehr Platz dafür ist, sich auf andere einzulassen, sie zu berühren", erklärte Hölbling, die für Regie und Choreografie der Arbeit verantwortlich ist und auch einen tänzerischen Part darin übernimmt. Dann kam Corona und warf einen Fokus auf das fehlende Zusammenkommen. "Das ist schon zynisch, dass dieses Thema nun so im Mittelpunkt steht", meinte die 49-Jährige. Schön findet die Wienerin jedoch, dass durch die derzeit nötige Distanz, "die Leute wieder merken, dass die Kultur des Aufeinandertreffens total fehlt". All das, was den Menschen ausmache, sei gekappt. Schöner wäre es natürlich, wenn nicht erst ein Virus dafür sorgen müsste, dass dieser Fokus entsteht, so Hölbling.

Über 40 Werke hat die Dans.Kias-Gründerin bereits geschaffen. So lange musste sie jedoch noch nie auf eine Aufführung warten. "Man kann eine Spannung nicht über fast ein Jahr hinweg aufrechterhalten, ohne dass einem die Luft ausgeht", meinte Hölbling. Sie legte das Stück bewusst weg. Es vorzeitig per (Live-)Stream zu einer Premiere zu bringen, stand für die Choreografin nicht im Raum: "Wenn ich "through touches" einfach mitfilme und streame, geht das an der Idee vorbei." Online sei alles schneller und die Bildkonsumation eine andere. "Ich mache eine Aufführung, damit die Leute kommen und sich in ein Setting einlassen. Durch die Welt zappen können sie ohnehin am Tag", erklärte Hölbling ihre Entscheidung.

Sie fokussierte sich auf Neues, anstatt an alternativen Aufführungsmöglichkeiten zu basteln. Neben einem Ensemblestück, das noch die Thematik von "through touches" umkreist, ist auch ein Projekt namens "inhabit the impossible" geplant. Dabei setzen sich insgesamt 14 Denker aus verschiedenen Bereichen wie Architektur, Performance oder Film über einen längeren Zeitraum mit Zukunftsräumen auseinander. Auch der Philosoph Arno Böhler bringt seine Perspektive auf das Thema ein. "Man darf sich das nicht so vorstellen, dass da jeder in seinem Kämmerchen sitzt und sich etwas überlegt. Wir haben auch wiederholt Überschneidungspunkte", erklärte Hölbling. Im Endeffekt solle ein Dispositiv entstehen, das unterschiedliche, aber auch durchwachsene Perspektiven zusammenführt.

Bis es soweit ist, hofft die Künstlerin darauf, bald mit "through touches" vor Publikum auftreten zu können. "Ein Stück entwickelt sich immer noch auf der Bühne weiter. Wir sind schon sehr ausgehungert davon, keinen Austausch mit dem Publikum zu haben", bedauerte Hölbling. Und obwohl der Dans.Kias-Gründerin das Coronavirus "an sämtlichen Nerven" zieht, ist sie optimistisch, dass sich Berührungen nach überstandener Abstinenz nicht fremd anfühlen werden: "Es handelt sich hier um eine Ausnahmesituation. Diese wird auch wieder verschwinden."



Anlässlich des 25-Jahr Jubliäum sind zwei Artikel erschienen, welche über folgende Buttons geöffnet werden können:



Eine DANS.KIAS Produktion In Koproduktion mit dem WUK performing arts.
Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport.





da-nach

Die Welt ist aus den Fugen geraten. Eine Menschengruppe strandet im Irgendwo zwischen den Weltmeeren. In ihrem Stück „da-nach“ lässt Choreografin Saskia Hölbling ihr Ensemble DANS.KIAS an der Grenze zwischen Dystopie und Utopie tanzen. Eine Gruppe von Menschen findet sich irgendwo auf einem der Weltmeere wieder zwischen Treibgut und Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Es ist unklar, was geschehen ist. Es wäre auch unerheblich für den Hergang der Geschehnisse. Jetzt sind sie jedenfalls da, umschwemmt von allem Möglichen. Ob sie sich erinnern, was sie vorher taten? Eher nicht. Oder doch? Von irgendwo her sickern Ahnungen durch.


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Saskia Hölbling zeichnet in ihrer Arbeit eine Welt an der Grenze zwischen Dystopie und Utopie. In „da-nach“ katapultiert Hölbling ihr Ensemble hinaus aus einer Welt des Überflusses und der permanenten Vernetzung. Angekommen an diesem unbestimmten Ort, liegt es nun in ihren Händen, sich neu zu erfinden. Oder auch nicht.


Uraufführung: 1. März 2019, Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien/AT, Dauer: ca. 60 min.

Regie, Choreografie: Saskia Hölbling; Tanz, Choreografie: Anna Hein, Ardan Hussain, Jan Jakubal; Oskar Mitterer, Leonie Wahl; Musik, Komposition: Wolfgang Mitterer; Assistenz Musik: Moritz Cizek; Kostüm, Bühne: Gudrun Lenk-Wane; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Ein Stück Hoffnung in der Apokalypse

Michaela Preiner, European Cultural News, 2. März 2019

Gleich vorweg: „da-nach“ ist eine kleine, aber umwerfende Produktion (…) und: Man sollte sie sich nicht entgehen lassen, denn: So eine österreichische Tanzproduktion, die derart stimmig, gescheit, in sich schlüssig, mit einer tollen Choreografie und einem genialen Sound versehen ist, muss erst einmal gesucht werden. (…) Der Kreativität von Gudrun Lenk-Wane ist es zu verdanken, dass die Arte-povera-Requisiten nicht auf eine billige Produktion verweisen, sondern passend und immer wieder Staunen auslösend zum Einsatz kommen. (…) Das Großartige an dieser Produktion ist, dass sie ein Gesamtkunstwerk darstellt. Und zwar keines, das sich diesen Terminus protzend an die Marketingfahnen hängt. Bühne, Choreografie und Musik, aber auch die Dramaturgie der Geschichte an sich überzeugen ohne jegliche Abstriche. Sie ist hochaktuell, zugleich aber auch von archaischer Wucht. In „da-nach“ wird nüchtern dem triebhaften Menschsein eine zweite, ganz andere Seite gegenübergestellt, die in den derzeitigen Dystopiediskursen meist gar nicht vorkommt: Nämlich jene der Empathie, des gemeinsamen Tuns und Helfenwollens – was schließlich auch zum Überleben der Spezies Mensch in diesem speziellen Kontext beiträgt. Es mag wohl auch diese so erlösende Aussicht auf eine allerorten düster prognostizierte Zukunft sein, die dieses Stück zeitgenössischen Tanz so überaus beeindruckend erscheinen lässt. Chapeau, chapeau und: Danke dafür!


Leben im Treibgut

Oliver Lang, Kronenzeitung, 3. März 2019

Irgendwo im Nirgendwo, verschollen und einsam, verloren - und doch nicht verloren: Das sind die Figuren in Saskia Hölblings einstündigen Tanzstücks „da-nach“. (…) Wolfgang Mitterer, einer der interessantesten österreichischen Komponisten, hat die Musikkulisse geschrieben, die so gefährlich, beklemmend, aufregend, aber auch immer irgendwie bekannt wirkt. (…) Hölbling entwickelt eine Figurenaufstellung, die tastend die neue Umgebung erforscht. (…) Was in einer knappen Stunde gelingt, ist eine gekonnt gemachte Studie des Menschlichen: Gemeinsam entwerfen die ausgezeichneten Tänzer eine düstere, aber nicht hoffnungslose Atmosphäre der Verlorenheit. Und schaffen eine Einheit in Hölblings Gestaltung, die in ihren Bann zieht!



Eine DANS.KIAS Produktion. Subventioniert von der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur. In Kooperation mit der Akademie der bildenden Künste. Mit freundlicher Unterstützung von ImPulsTanz - Vienna International Dance Festival.


things

Saskia Hölbling legt in ihrer Choreografie den Fokus auf all die Gegenstände, die sonst sooft unbeachtet bleiben. Sie lässt in ihrer Arbeit die Dinge buchstäblich aus der Reihe tanzen. Die ständig wachsende Anhäufung von Gegenständen nimmt Hölbling zum Anlass, ein Dispositiv zu schaffen, in dem sie sich all dieser Üppigkeit und Überwucherung annimmt.


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Die Tänzerinnen Anna Hein, Leonie Wahl sowie die Tänzer Ardan Hussain und Jan Jakubal fordern die Dinge zum Tanz auf. In der Bewegung finden die Gegenstände ihr Eigenleben, werden an die Körper montiert, um diese drapiert, sie werden zu Landschaften oder Örtlichkeiten, Skulpturen oder Outfits. Ein inspirierendes Wechselspiel, das immer wieder neue Situationen entstehen lässt.

Die Dinge nehmen Gestalt an, werden neu erfunden.
Die Grenzen zwischen Mensch und Gegenstand lösen sich auf.

Es kommt zu berührenden Begegnungen, fantastische Skulpturen formen sich, neue Welten entstehen, ein unaufhörliches Entstehen und Vergehen, das uns in all ihrer Multitüde in Bann hält.


Uraufführung: 1. März 2018, Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien/AT, Dauer: ca. 80 min.

Regie, Choreografie: Saskia Hölbling; Tanz, Choreografie: Ardan Hussain, Jan Jakubal, Leonie Wahl, Anna Hein; Musik, Komposition: Wolfgang Mitterer; Assistenz Musik: Moritz Cizek; Kostüm, Bühne: Gudrun Lenk-Wane; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Eigenleben der Dinge

Karl Heinz Roschitz, Kronenzeitung, 07. März 2018

Es sind ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände, die diesmal Hauptdarsteller der Performance werden: „things“, der neue Abend der Choreographin Saskia Hölbling, stellt im Semperdepot alles Unauffällige, vom Sonnenschirm bis zum Reifen, in den Mittelpunkt. Ein 80-minütiges Schau-Spiel mit zelebrierter Achtsamkeit. Surrend bläst der Ventilator über eine devastierte Mülllandschaft. Was da alles verstreut liegt! Doch alles kann zum Darsteller, ja Hauptdarsteller werden. Mehr noch: Jedes Ding hat das Zeug zum Fetisch, zum Kampfobjekt und zur Ikone. Nur weniges wird im Laufe des Abends tatsächlich so verwendet, wie es in der Betriebsanleitung steht. Doch darf alles in einem Fluss von Transformationen mitmachen. Es sind wundersame Bilder, die da entstehen: Weniger um die einzelne Bedeutung geht es als um die Gesamtwirkung.

Und die Tänzer? Auch sie wirken mitunter wie die Dinge, die sie bugsieren, bearbeiten und betreuen: Es sind weniger mit Eigenpersönlichkeit ausgestattete Darsteller als austauschbare Mitspieler, die dann und wann sogar zum Objekt werden, das vorgeführt und eingekleidet wird. Das alles hat der österreichische Komponist Wolfgang Mitterer mit bruchstückhafter Musik unterlegt. Da fliegen einem Zitate bekannter Werke von Strawinski bis Tschaikowski um die Ohren, um dann wieder in kleine Partikel zu zerfallen. Zuletzt: herzlicher Applaus!


Triumph der Paradiesvögel in ihrer Parallelwelt

Helmut Ploebst, Der Standard, 02 März 2018

Was sich da an Zeug auf einem Tanzboden häuft, bildet ein kunstvoll arrangiertes Chaos. Hölbling und ihre vier Tänzer Ardan Hussain, Leonie Wahl, Jan Jakubal sowie Anna Hein machen kein Hehl daraus, dass sie diese Landschaft aus Plastikplanen, Schläuchen, Sturzhelmen, Behältern, Koffern, Säcken et cetera beherrschen. (…)

Citizen Kane wurde, wie sich in Orson Welles' Film von 1941 herausstellt, zum Messie auf der Suche nach dem Symbol seines verlorenen Kinderglücks – einem Schlitten der Marke Rosebud. Ein ähnlicher Holzschlitten findet sich auch unter Hölblings Dingen. Das könnte eine Anspielung auf "Citizen Kane" sein. Zumal die schöne Anfangsszene des Stücks in ein Licht getaucht ist, das die Bühne in ein beinahe perfektes Schwarzweißbild verwandelt und Wolfgang Mitterers mit diesem Bild einsetzende Komposition an eine Filmmusik erinnert. (…) Die Poesie ermöglicht den Triumph des Menschen über den Mahlstrom der ihn umschwirrenden Dinge. Das poetische Spiel kann ihn davor bewahren, von diesem Wirbel in den Hades der Depression gezogen zu werden.



Eine DANS.KIAS Produktion, unterstützt von der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur.


corps suspendu

Ein Geflecht aus Seilen spannt sich zwischen den gusseisernen Säulen des historischen Bühnendepots. Dieses Netzwerk ist Rahmen und Basis für eine kleine „Weltmaschine“, wie die Wienerin Saskia Hölbling ihre Choreografie für vier Performer_innen nennt. Die Tänzer_innen begegnen der raumgreifenden Vernetzung von Gudrun Lenk-Wane mit äußerstem Geschick. Im Zusammenhalt und Auseinanderdriften der Gruppe treten Kräfte zutage, die – changierend zwischen Intimität und Bedrohung – das Bild über die „Anderen“ in steter Bewegung halten und, begleitet vom eindringlichen Sound des Komponisten Wolfgang Mitterer, mitunter auch an den Rand des Kollaps führen. In „corps suspendus“ verspannt, exponiert, verbindet, rafft, behindert oder vernetzt Saskia Hölbling vier Tänzer durch ein Geflecht aus Seilen.


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Der Blick in die Welt drängt: Er hinterlässt einen beunruhigenden, fast besorgniserregenden Eindruck: die Vielen, die unterwegs sind, die Vielen im Treibsand zwischen Erfolg und Überflüssigkeit, die vielen Trumps, die vielen Ungesichter, die vielen ideologisch Verrohten, die vielen Ichs zwischen Konsum-Oasen und Müllhalden. Diese Vielen sind immer Andere. Weit genug weg, um vom Anderen zu sprechen, jedoch nahe genug, um sich „bedroht“ zu fühlen.


Uraufführung: 3. März 2017, Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien, Wien/AT, Dauer: ca. 60 min.

Regie, Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling; Tanz, Choreografie: Ardan Hussain, Jan Jakubal, Leonie Wahl, Anna Hein; Musik, Komposition: Wolfgang Mitterer; Musik Assistenz: Moritz Cizek; Kostüm, Bühne: Gudrun Lenk-Wane; Licht: Gerald Pappenberger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Die lösungsorientierte Vernetzungsmaschine

Helmut Ploebst, Der Standard, 07. März 2017

Beeindruckende Uraufführungen von Saskia Hölbling im Semperdepot Es ist eine Falle. Zwei Männer und zwei Frauen verheddern sich in einem großen Netz aus schwarzen Stricken, das eine verborgene Arachne in einen weiten, unheimlichen Raum gespannt hat. Diese Installation hat sich die Wiener Choreografin Saskia Hölbling für ihr neues Stück "corps suspendus" von Gudrun Lenk-Wane in eine Halle des ehemaligen Semperdepots montieren lassen. Organisiert wurde die Uraufführung von ImPulsTanz, die hintergründigen Klanggewebe darin stammen von Wolfgang Mitterer. Die versteckt bleibende Spinnerin ist der Schlüssel zu diesem Stück, mit dem auf die Verödung des großen Vernetzungsenthusiasmus der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte angespielt wird: Auf die, wie Hölbling zu dieser Arbeit schreibt, "vielen Ichs zwischen Konsum-Oasen und Müllhalden" und auf "die Vielen im Treibsand zwischen Erfolg und Überflüssigkeit". Anzunehmen also, dass die abwesende Arachne hier für das steht, was bei unserem globalisierten Netzwerkgetriebe im Verborgenen die Fäden zieht und davon profitiert. In den Netzen der Profiteure treiben die Überflüssigen in Gestalt von vier "corps suspendus". Das französische Wort suspendre bedeutet auf- oder abhängen, aber auch unterbrechen, verschieben oder sperren. Die Figuren in Hölblings Gespinst sind definitiv Angehängte, die sich ihres Abgeschobenseins noch nicht bewusst sind. Sie hangeln in ihrem gefährlichen Habitat, drängen sich manchmal zusammen, verlieren einander jedoch schnell wieder, geraten auf den Boden, ohne diesen wirklich wahrzunehmen. Sie können vom Netz nicht lassen, denn es ist ein Fetisch, der seine Bewohner benommen macht. Hölbling nennt es "eine kleine Weltmaschine". Die darin Abgehängten tragen das Schwarz dieser Maschine, die sie nie ins Gleichgewicht kommen lässt, die weder Halt noch Ruhe erlaubt und die suggeriert, es gäbe kein Außen.


In der Weltmaschine

Karl-Heinz Roschitz, Kronen Zeitung, 05. März 2017

Zwischen gusseisernen Säulen im Parterresaal des historischen Semperdepots in der Lehárgasse sind Seile gespannt. Ein Dickicht, in dem vier PerformerInnen eine Art Überlebenstraining üben. Sie sind in Saskia Hölblings „Weltmaschine“ geraten und zeigen - als ImPulsTanz Special - das Stück „corps suspendus“. Choreografin Saskia Hölbling lässt den Zuschauer da immer wieder etwas unbestimmtes Bedrohliches spüren. Gefahr! So zitiert sie erklärend das Spannungsfeld „zwischen Konsum-Gassen und Müllhalden“, das Unterwegssein im „Treibsand zwischen Erfolg und Überflüssigkeit“, die vielen „Trumps und Ungesichter“ in einer ideologisch verrohten Welt. Wir sind „ausgeliefert der Weltmaschine“, in deren Netzwerk schwarz gekleidete Tänzer vorsichtig durchrobben und sich durchmanövrieren, um nicht abzustürzen. Gudrun Lenk-Wane entwarf für dieses Spiel vom Überleben das Netzwerk aus Seilen, die im Säulengestänge verankert sind. Mit erstaunlicher Sicherheit und Eleganz turnen, robben, klettern, hanteln die vier Performer durch das Netzwerk. Und lassen dabei durchaus literarische Bezüge erkennen - unwillkürlich erinnert man sich der Nornen in Wagners „Götterdämmerung“, die Schicksalsseile ziehen und Netzwerk spinnen. Allerdings beschwört Hölbling nicht die Wagnersche Katastrophe, das Reißen des Seils, das das Ende der Alten Welt ankündigt. „corps suspendus“ - so der lateinische Titel - zeigt das Ausgeliefertsein an die Weltmaschine, in der die vier - Anna Hein, Leonie Wahl, Jan Jakubal, Ardan Hussain - auf Sinnsuche und Bestätigung ihrer Existenz unterwegs sind. Wolfgang Mitterer, prominenter Organist, Elektroniker und Komponist, gestaltete die Musik vom Band: Ein Wechselbad aus raffinierten Klängen, Farben, Instrumententönen, Geräuschen, ein kunstvoll gestaltetes, in sich beziehungsreiches Klangnetzwerk für Hölblings Inszenierung und Choreografie. Viel Beifall.



Eine DANS.KIAS Produktion unterstützt von der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur, in Kooperation mit ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival und der Akademie der bildenden Künste Wien.


corps à corps

Saskia Hölbling verwebt in „corps à corps“ Gedanken des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy und behandelt mit ihrer zeitgenössischen Tanzperformance brandaktuelle Themen unseres Weltgeschehens in abstrakter und intensiver Form.

„Unsere Milliarden Bilder zeigen uns Milliarden Körper – wie Körper noch nie gezeigt wurden. Massen, Haufen, Gemenge, Bündel, Kolonnen, Aufläufe, Gewimmel, Armeen, Banden, Auflösungen, Paniken, Sitzreihen, Prozessionen, Zusammenstöße, Massaker, Leichenberge, Kommunionen, Streuungen, ein Übervolles, ein Überlaufenes von Körpern, stets zugleich in kompakten Massen und in stäubendem Umherirren, ... einer Hetze überlassen, die sie strukturiert, einem unablässigen verallgemeinerten Aufbruch ...“ Jean-Luc Nancy


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Uraufführung: 25. Februar 2016, Odeon, Wien/AT
Dauer: ca. 80 min.

Regie, Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling; Tanz, Choreografie: Adriana Cubides, Ardan Hussain, Jan Jakubal, Leonie Wahl; Dramaturgie: Florian Tröbinger; Musik, Komposition: Wolfgang Mitterer; Musik Assistenz: Moritz Cizek; Puppenbau, Kostüm, Bühne: Gudrun Lenk-Wane; Licht: Gerald Pappenberger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Leben als Skulptur

Karlheinz Roschitz, Kronen Zeitung, 28. Februar 2016

Vier TänzerInnen erobern mit kreisenden Bewegungen den Bühnenraum. Die Szenen verdichten sich. Menschliche Körper und ausgezehrte Marionetten geraten aneinander, werden zum Knäuel, zum Menschen-Müllhaufen, zur vibrierenden Skulptur: Saskia Hölbling zeigt im Odeon ihr neues Stück „corps à corps“. Bald hängen die vier - Adriana Cubides, Ardan Hussain, Jan Jakubal, Leonie Wahl - und ihre kopflosen Puppen wie tot in den zwei fahrbaren Stahlgestellen, bald turnen sie auf und zwischen den Stahlrohren, balgen oder verknoten sich in einem Haufen.

Wie Untote tauchen sie aus der Dunkelheit auf uns manipulieren ihre Doubles. Und Wolfgang Mitterers spannende kompositorische Arbeit voll raffinierter Strukturen, Klangfarben und Geräuschen verdichtet die Bilder. Manchmal wie in einem Gruselfilm. Eine Szenerie irrlichternder Gestalten in einer Tod inhalierenden Welt. Atmende Totenberge! Voll dunkler, Schreckliches ahnbarer Momente. Man kann diesen Tanz aber auch nur vom choreografischen Konzept Saskia Hölbling her sehen: Als Bewegungsspiele, die ihre Spannung aus Verdichtung und Auflösung, aus dem gegensatzvon Mensch und Nicht-Mensch und der gegenseitigen Beeinflussung sehen. Spannend!


Tote Puppen bleiben immer locker

Helmut Ploebst, Der Standard, 28. Februar 2016

Hölbling hat auf zwei ihrer früheren Werke zurückgegriffen: "assemblage humain", ein Solo mit Puppe, das ImPulsTanz im Vorjahr zeigte, und auf das mit dem französischen Künstler Laurent Goldring entstandene "body in a metal structure" von 2012. Aus einer weißen Puppe sind bei "corps à corps" vier geworden und aus einer Metallstruktur zwei Gestelle. Auf der Bühne konfrontieren sich zwei Frauen – exzellent: Adriana Cubides – und zwei Männer mit den lebensgroßen Gliederfiguren.

Der Tanz ist ein Antipode zum Posthumanismus, darauf baut auch Saskia Hölbling. In "Corps à Corps" liegt der dem Zeitgeist entsprechende Jammer um den anfälligen und sterblichen Körper fern. (…) In seiner zweiten Hälfte wird das Stück zunehmend planlos. Möglicherweise ist das Absicht. Denn es könnte sein, dass die Choreografin so die Plan- und Ratlosigkeit widerspiegeln will, mit der menschliche Körper sich selbst und ihrer Organisation gegenüberstehen. Wenn das stimmt, wäre "corps à corps" ein gelungenes Statement, das diese Verwirrung nur nicht radikal genug vorträgt. Der Tanz endet im Aufgeben vor unlösbaren Problemen. Die bis zur letzten Sekunde überzeugende Musik kommt von Wolfgang Mitterer, von Gudrun Lenk-Wane die Puppen, und Gerald Pappenberger ist für das im Rhythmus ständig drohenden Verlöschens komponierte Licht verantwortlich.



Eine DANS.KIAS Produktion. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur.


squatting projects

Zum 20-jährigen Jubiläum von DANS.KIAS werden erstmals alle „Squatting Projects“ an einem Ort gezeigt – in der Expedithalle der Ankerbrotfabrik.

Mit den „squatting projects“ startete DANS.KIAS eine Serie von Tanzperformances in öffentlichen Räumen (in- und outdoor), die in Theatern, wie Museen, Flughäfen, oder Bahnhöfen, genau so wie in weiterer Konsequenz an öffentlichen Plätzen oder Arealen stattfinden können.

Ziel ist, durch Andocken einer Performanceunit, das urbane Umfeld mit subversiven Körperbildern bzw. potentiellen Körpervisionen anzureichern. Den Start der „squatting projects“-Serie machte die Arbeit „body in a metal structure“; gefolgt von „bodies (with)in fences“ und „bodies in tubes“.


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Die „Squatting Project“-Idee: Eine nomadische Guerrilla-Bühne Durch eine mobile Performanceeinheit soll die Idee von Bühne in ihrer zeitgenössischen Dimension in öffentliche Räume extrapoliert, also in die urbane Realität implantiert werden. Ein zwangloses Performanceappointment, das sich parasitär an Orten ansiedelt, an denen es eigentlich fehl am Platz ist, bzw eine vorhandene Struktur besetzt und an ihrer Infrastruktur schmarotzt. Konstruiert, behaust und betätigt von Performern, deren Aktionen Körper und Umfeld immer wieder aufs Neue in Relation setzen, in Bewegung bringen und dabei ganz diskret Akte des zivilen Ungehorsams setzen.

Anders formuliert: Ein Hybrid, das zwischen Umwelt, Gesellschaft und Kultur vermittelt Ein zeitweilig implantiertes, performatives Artefakt, das dazu gemacht ist, festgefügte Denkgefüge und vermeintliche Harmonien zu stören, bzw. vordergründig stimmige Gefüge in Frage zu stellen. Eine neue Form der Kunstokkupation in durchorganisierten Ballungsräumen Eine wandelnde Kult-, Kultur- und Behausungsstätte.


Premiere: 18. - 20. Juni 2015, Expedithalle / Loftcity, Wien/AT
Dauer: ca. 80 min.


body in a metal structure

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling und Laurent Goldring; Tanz, Performance: Saskia Hölbling; Skulptur, Performance-Gerüst: Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Produktion, Management: Simon Hajós

bodies (with)in fences

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling und Laurent Goldring; Tanz, Performance, Choreografie: Saskia Hölbling, Rotraud Kern, Franco Senica; Raum: Laurent Goldring, Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer; Licht: Reto Schubiger;Videodokumentation: Peter A. Egger; Produktion, Management: Simon Hajós

bodies in tubes

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling und Laurent Goldring; Tanz, Performance, Choreografie: Saskia Hölbling, Rotraud Kern; Raum: Laurent Goldring, Gudrun Lenk-Wane; Kostüm:Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer, Michael Moser; Licht: Reto Schubiger;Videodokumentation: Peter A. Egger; Produktion, Management: Simon Hajós

Rezensionen

Saskia Hölbling - 20 Jahre DANS.KIAS

Ditta Rudle, tanz.at, 15. Juni 2015

1995 zeigte Saskia Hölbling ihre erste Choreografie und gründete ihr Ensemble DANS.KIAS. Damals war die Tänzerin und Choreografin 24 Jahre alt. Seitdem hat sie mehr als 30 Stücke choreografiert und inszeniert. Grund genug das Jubiläum zu feiern. DANS.KIAS tut das in der ehemaligen Ankerbrotfabrik mit den dreiteiligen Squatting Project. Die riesige Expedithalle rückt die Körper in den Installationen in neues Licht und erlaubt neue Perspektiven.

Saskia Hölbling hat sich einen Traum erfüllt: „body in a metal structure“, „bodies (with)in fences“ und „bodies in tubes“ an einem Abend zu zeigen. Was die Installationen aus rohen Baumaterialien (neben der „metal structure“, einer Installation von Gudrun Lenk-Wane, auch eine nahezu unendliche Reihe von Drahtzäunen und Schüttkübel aus Plastik, bodenlos durch Ketten zu einem Kletterturm verbunden) betrifft, so funktioniert das bestens. Schon bevor die Vorstellung beginnt (und auch danach) kann man sie umrunden, untersuchen, kennen lernen. Damit weder die schwer arbeitenden Mitwirkenden (Saskia Hölbling, Rotraud Kern, Franco Senica) noch die Zuschauerinnen überfordert werden, sind die drei Teile auf eine gute Stunde reduziert.

Hölbling zäumt das Pferd am Schwanz auf, beginnt in den Tubes in dem sie mit Kern ein Schauspiel des Täuschens und Tarnens bietet. Nur ein Haarschopf ragt aus dem Kübel, dann wieder vier Beine und zwei Arme – Steißgeburt, Kopfgeburt, Gliedergeburt. Arme und Beine schimmern weiß im Scheinwerferlicht, die schwarzen Kübel an den Ketten sind instabil, pendeln und schaukeln und gestatten es den beiden Frauen, unverhofft auf einander zu zu schwingen, die Gesichter nah, bereit zum Kuss. Da kämpft Senica, wie später auch die Tänzerinnen ganz in Leder, mit Stiefeln und Handschuhen gerüstet, bereits (in) mit den Zäunen. Bald sind sie zu dritt, arbeiten sich durch den klirrenden und klappernden Weg. Köpfe tauche auf, Hinterteile, Arme, Beine, schwarz jetzt,. Wenn das Scheppern sich beruhigt, dann ruhen auch die Kämpfenden einige Sekunden, der Atem ist die Musik. Die aber, von Klangkünstler Nik Hummer komponiert, konzipiert und live betreut, wird immer lauter, bedrohlicher. Jetzt wird nicht mehr gegen die Drahtgestelle gekämpft sondern ums Leben.

Schließlich bleibt Hölbling allein in ihrer metallenen Struktur, die aus verkabelten Röhren besteht, die durch eine ausgefeilte Klanginstallation von Hummer zu jammern und zu weinen scheint , als wäre sie mit der Inbesitznahme durch den menschlichen Körper gar nicht glücklich. Doch wie sich der biegsame Körper mit der sperrigen Materie befreundet, so nimmt auch diese den Eroberer an. Fast schnurrt sie am Ende. Die Tänzerin weiß auch zu verführen, hat das schwarze Gewand abgeworfen, pendelt kopfüber in reizender Spitzenunterwäsche.

Nicht enden wollender Applaus. Jubiläum eben und auch „expositions corps“. Saskia Hölbling ist sich treu geblieben, auch wenn sie aus Lust am Neuen den Boden verlassen hat.



Eine DANS.KIAS Produktion. DANS.KIAS wird subventioniert von der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur.


assemblage humain

In ihrer Arbeit „assemblage humain“ zeigt die Choreografin Saskia Hölbling Collagen des Menschlichen, die, nicht bruchhaft gesetzt sind, sondern fließend angeordnet und Zeit für Berührungsräume geben. Zeitgenössisch cool, aber ohne Angst vor Expressivität. So werden zwei Welten nebeneinander gestellt.

Dystopisch, existentiell die erste. In einem archaischen Umfeld aus Filz, Holz, Leder und Leinen treffen Performerin und eine lebensgroße menschliche Figur aufeinander und entwerfen gemeinsam mit den Objekten Decke, Sessel, Besen, Stock und Jacke Assemblagen der elementaren menschlichen Beziehungen: zu Diesseits und Jenseits, Leben und Tod, Krieg und Trauer, Liebe und Zärtlichkeit, Ekstase, Tätigkeitsritualen und Absurditäten - ein Guernica wo Pferd und Stier, wo Tod und Mädchen immer wieder miteinander zu tun haben.


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Das Stück bricht, die zweite Welt stülpt sich auf die Überreste der ersten. Ebenso dystopisch, aber exponierter, greller. Ein Akt des Ausweidens eröffnet, bunte Plastikplanen und Kunststoffe kommen zum Vorschein, ein Haufen Trash. Die Assemblagen hier sind künstlicher, schriller, poppiger: Den Plasitkhäuten entstiegen, beginnt ein Defilee der Fundstücke und steigert sich in einen orgiastischen Tanz der Materialien, die den Körper schließlich verschwinden lassen.


Showing: 13. Februar 2015, Proberaum Neue Oper Wien, Wien/AT
Uraufführung: 20. Mai 2015, Musica_Electronica_Nova/National Forum Of Music, Breslau/PL
Dauer: ca. 50 min.

Choreografie, Tanz: Saskia Hölbling; Assistenz Choreografie: Rotraud Kern; Musik: Wolfgang Mitterer; Musik Assistenz: Moritz Cizek; Ausstattung: Gudrun Lenk-Wane; Licht: Gerald Pappenberger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Puppen und Schamanen

Silvia Kargl, Kurier, 25. Juli 2015

Erstmals in Österreich zeigte Saskia Hölbling ihr Stück „assemblage humain“ im Rahmen von ImPulsTanz im Schauspielhaus. Eine Arbeit in der Hölbling zuletzt eingeschlagene Pfade des MinimalMovement verlässt. Auch die Musik von Wolfgang Mitterer hat Anteil daran, dass dieses „relative Solo“ mit zwei Puppen weg von Hölblings abstrakten und formalen Choreografien führt.

Gudrun Lenk-Wane gestaltete zwei unterschiedliche, lebensgroße Puppen, die aus dem Solo ein Trio machen. Die erste Puppe erinnert an ein Skelett. Hölbling erkundet sie genau. Siewird mit Ängsten in Verbindung gebracht, hart angefasst, könnte auch die Erinnerung an einen Toten sein, der als stummer Partner und Zuschauer präsent ist.

Die zweite Puppe trägt einen schwarzen Anzug und ist deutlich „muskulöser“. Da wird die Beziehung zur Tänzerin zugleich menschlicher und sexualisierter, wenn Hölbling in einen Bewegungsrausch mit den bunten Folien-Eingeweiden der Puppen gerät.



Eine DANS.KIAS Produktion. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien.


bodies in tubes

In „bodies in tubes“ wird eine Installation aus Schuttrutschen zum Dispositiv der aktuellen Kreation von Saskia Hölbling und Laurent Goldring. Nach „body in a metal structure“ und „bodies (with)in fences“ bildet „bodies in tubes“ den dritten und letzten Teil der "Squatting Projects".

Wie im Trockenen hängt ein vertikales Röhrensystem im Bauch eines Raumes, sezierter Ausschnitt der pulsierenden Adern unserer Stadt, die in endlosen Verbindungen unsichtbare Hohlräume in unseren Boden treiben.


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In diesem organischen Exposé durchforsten zwei Körper die Leitsysteme der Zu- und Abflüsse, den Wildwuchs der Ein- und Ausstiege, die vielen Umwege und Abzweigungen. Sie stoßen auf Sackgassen, stoßen aufeinander, verkeilen sich in Nischen und quellen aus Zwischenräumen, werden absorbiert oder ausgeworfen.

Hier laufen die Grenzen anders. Beklemmung und Schutz reichen sich die Hand, Innen und Außen verschwimmen, Organizität und Künstlichkeit bilden einen neuen Organismus. Hier kann Plastik atmen, der menschliche Körper wird zum Aspekt, zum Segment eines Überkörpers. Er wird zum Teil eines Territoriums, das niemandem gehört.
Sichtbar sind die Auswirkungen und Echos der Bewegungen.


Uraufführung: 10. Oktober 2014, TQW - Tanzquartier Wien, Wien/AT
Dauer: ca. 50 min.

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling, Laurent Goldring; Tanz, Performance, Choreografie: Saskia Hölbling, Rotraud Kerrn; Raum: Laurent Goldring, Gudrun Lenk-Wane; Kostüm: Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer, Michael Moser; Licht: Gerald Pappenberger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Die Verbrechen der Effizienz und des Sieges

Helmut Ploebst, Der Standard, 13. Oktober 2012

Zwei Körper versuchen, sich in eng aneinandergehängten Schuttrutschen zu halten.Wie in ihren beiden Vorgängerarbeiten, "body in a metal structure" und "bodies (with)in fences", lässt Hölbling auch hier dem Unheimlichen seinen scheinbar abstrakten Lauf. Wieder ein Gestell, aus dem der Körper nicht herausfindet. Doch hier wird das Klaustrophobische unserer Existenz am Radikalsten sichtbar gemacht: als Körper, die nur noch Abraum der sie beherrschenden Systeme sind.

Der Tanz ist ein Antipode zum Posthumanismus, darauf baut auch Saskia Hölbling. In "corps à corps" liegt der dem Zeitgeist entsprechende Jammer um den anfälligen und sterblichen Körper fern. (…) In seiner zweiten Hälfte wird das Stück zunehmend planlos. Möglicherweise ist das Absicht. Denn es könnte sein, dass die Choreografin so die Plan- und Ratlosigkeit widerspiegeln will, mit der menschliche Körper sich selbst und ihrer Organisation gegenüberstehen. Wenn das stimmt, wäre "corps à corps" ein gelungenes Statement, das diese Verwirrung nur nicht radikal genug vorträgt. Der Tanz endet im Aufgeben vor unlösbaren Problemen. Die bis zur letzten Sekunde überzeugende Musik kommt von Wolfgang Mitterer, von Gudrun Lenk-Wane die Puppen, und Gerald Pappenberger ist für das im Rhythmus ständig drohenden Verlöschens komponierte Licht verantwortlich.



Bewegte Installation: Saskia Hölbling im Tanzquartier

Silvia Kargl, Kurier, 12.Oktober 2014

"bodies in tubes", das neue Stück von Saskia Hölbling im Tanzquartier, ist zugleich Abschluss der Serie "Squatting Projekts", die in Zusammenarbeit mit Laurent Goldring entstand. Die Projekte thematisieren das Verhältnis von Körpern zum urbanen Raum. Diesmal steht eine Installation mit Schuttrutschen von Goldring und Gudrun Lenk-Wane auf der Bühne. Die interessante Choreografie ist im Halbdunkel nur schemenhaft erkennbar. Hölbling und Rotraud Kern füllen die beweglichen Rohre ("tubes"), verschwinden darin, als ob sie Schutz suchen. Körperteile ragen heraus, bis die Performerinnen jede Fuge der Installation erkunden. Dabei verstärkt sich der Eindruck eines Raumes, der sich wie eine Zwangsjacke über ihre Körper stülpt



Eine DANS.KIAS Produktion. Koproduziert von dem Tanzquartier Wien und dem Centre Chorégraphique National de Franche-Comté à Belfort, unterstützt von den Salinen Royale der Ars-et-Senans im Rahmen des Odyssée Residency Program. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundeskanzleramt für Kunst und Kultur.


bodies (with)in fences

In „bodies (with)in fences“ begeben sich Saskia Hölbling und Laurent Goldring auf die Suche nach neuen Ankern und Territorien, ohne dabei mit den schrillen Verführungsstrategien des urbanen Raums in ihrer Grobheit konkurrieren zu wollen. Der Aktionsraum liegt abseits von jeglichem Glamour und Luxus, weit entfernt von jeder „comfort-zone“.

Ein Monument aus Baugittern erschließt - ganz in seiner Funktion als multiple Barriere - Räume und Volumen der Ausschließung oder des Ausstellens. Es entwirft eigene Leitsysteme oder zieht Wände hoch.


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Mitten in dieser monumentalen Skulptur, die fast unüberwindbare Grenzen setzt, machen sich drei Körper daran, ihr rigides Umfeld unaufhörlich und immer wieder zu sezieren; sie ackern sich durch vielschichtige Barrieren und halten dadurch das System in Atem.

Saskia Hölbling und Laurent Goldring kreieren mit „bodies (with)in fences“ ein delikates aber geräuschvolles Stück, das durch einen unauswegsamen Regelkreis ein Perpetuum mobile entwirft, das notgedrungen in eine Sackgasse führt.

Nach „body in a metal structure“ gehen mit „bodies (with)in fences“ die „Squatting Projects“ in die zweite Runde.


WIEDERAUFNAHME
bodies (with)in fences 07. - 10. März 2024 20h / im Rahmen der „Living Positions" im Odeon Theater Wien

Uraufführung: 23. Januar 2013, WUK, Projektraum, Wien/AT
Dauer: ca. 50 min.

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling, Laurent Goldring; Tanz, Performance, Choreografie: Saskia Hölbling, Rotraud Kerrn, Franco Senica; Raum: Laurent Goldring, Gudrun Lenk-Wane; Kostüm: Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós



Rezensionen

Brillant: Das Tanzstuck "bodies (with)in fences" von Saskia Holbling und Laurent Goldring

Helmut Ploebst, Der Standard, 25. Jänner 2013

Unsere Gesellschaft ist eine permanente Baustelle. Eine, die auf allen Ebenen von Zaunen durchzogen und mit Gittern gesichert wird. Wie sich diese Politik der Sperrung anfuhlt, veranschaulichen die osterreichische Choreografin Saskia Holbling und der franzosische Kunstler und Philosoph gerade mit ihrem beklemmenden Tanzstuck "bodies (with)in fences" im Wiener Wuk.

Das Setting bleibt auf das Wesentliche reduziert. Etwa 40 Gitterfelder, knapp hintereinander aufgestellt, bilden die Buhneninstallation. Auf und in diese sind zwei Frauen, Rotraud Kern und Holbling, sowie ein Mann, Franco Senica, verbannt. Es gibt ganz offensichtlich kein Entrinnen.

Dem Publikum wird bald klar, dass diese Installation drei Parallelwelten verbindet. Denn die Choreografie darin ist zwar darauf angelegt, als Statement zur Gesellschaftspolitik gelesen zu werden, funktioniert aber auch als existenzialistische Metapher im Sinn von Jean-Paul Sartres Geschlossene Gesellschaft. Auch dort geraten zwei Frauen und ein Mann in eine Holle der Sperrung. Auf einer dritten Ebene bringt "bodies (with)in fences" die Vergitterungen der menschlichen Psyche ins Spiel.

Die drei Figuren versuchen erst, sich an der Oberflache des Gitterfeldes zu halten, dringen dann aber doch in die engen Zwischenräume ein. Dabei zerhackt das Scheppern der Gitter die nüchternen Soundspharen von Nik Hummer. Die wechselnden Lichtebenen zeigen: Welche Perspektive auch eingenommen wird, die Unentrinnbarkeit bleibt.

Ohne Berg und Stein bewegt ein dreifacher Sisyphos nur sich selbst - und das auf der Stelle. Fur ihn gilt der Satz von Albert Camus, man musse sich Sisyphos "als glucklichen Menschen vorstellen", nicht. Eine radikale Position. Diese Arbeit positioniert sich konsequent außerhalb der "Matrix" - also des Gitters - von Entertainment und Politspektakel, deren Zaune sich durch die Psychen und Existenzbedingungen aller ziehen, die in ihr durchs Leben turnen.

Nach "body in a metal structure" ist "bodies (with)in fences" die zweite Zusammenarbeit von Saskia Holbling und Laurent Goldring. Das erste Stuck war schon ein Erfolg. Das neue nun trifft so richtig ins Schwarze.



DANS.KIAS - bodies (with)in fences

Ditta Rudle, tanz.at, 26. Jänner 2013

In einer Installation aus Baugittern arbeiten drei Körper, untersuchen die Möglichkeiten der Fortbewegung, überwinden Barrieren und sind am Ende dort, wo sie begonnen haben. Saskia Hölbling und Laurent Goldring haben auch die zweite Folge ihres „Squatting Projects“ für den öffentlichen Raum konzipiert, um das urbane Umfeld zu bereichern. Die Premiere fand im Projektraum des WUK statt.

Sisyphos heute. Die Metallgitter sind fragil, stehen zwar festgemauert am Boden, schwanken und schwingen dennoch, wenn sich Saskia Hölbling, Rotraud Kern und Franco Senica auf und zwischen ihnen bewegen. So wie die Körper ihren (vergeblichen) Parcours beginnen, oben auf den schmalen Stangen der Zäune, entwickelt sich die gesamte Performance. Als Gratwanderung. Dreifach müht sich Sisyphos auf dem Grat, ohne Ausweg ohne Ziel. Gefährlich und überaus anstrengend sieht es aus, was die drei PerformerInnen sich antun – ein Kampf mit den Gitterzäunen, die von der Künstlerin Gudrun Lenk-Wane so dicht aneinander gereiht sind, dass keine Gassen entstehen, durch die man fliehen könnte. Kaum je berühren die Drei den Boden, hängen hingegen kopfüber im Gestänge, wursteln sich darüber und darunter, begegnen und behindern einander, wirken wie ein sechsbeiniges Tier, das die Zuschauerinnen auf der anderen Seite der Installation vermutlich als dreiköpfig erleben. Mitunter blitzt das Bild einer Liebesgeschichte auf, zwei Frauen, ein Mann. Doch gleich zerfällt es wieder, jede(r) kämpft für sich allein. Sieger bleibt das kalte und zugleich doch schmiegsame Gebilde aus Gitterzäunen. Wenn diese Zäune erklommen und bestiegen werden, klingen und scheppern sie und ergänzen die, je nach dem Energiefluss der PerformerInnen, an- und abschwellende Toncollage von Nik Hummer. Reto Schubiger beteiligt sich am Geschehen mit differenziertem Licht. Bewegen sich die Körper im Takt von Licht und Ton oder geben sie mit dem vibrierenden Klingeln der Metallgebilde den Rhythmus für Musik und Sound, Licht und Dunkel an? Das perfekte Zusammenspiel aller an diesem klug erdachten Konzept lässt die Frage unbeantwortet.

Eine durch ihre Schwierigkeit und den körperlichen Einsatz aufregende Performance, die im freien Raum (innen oder außen) noch intensiver zu erleben wäre. Im kleinen Projektraum des WUK ist das Publikum auf zwei Seiten der Installation aufgeteilt und sieht quasi nur die Hälfte der bewegten Körperbilder. Herumgehend immer wieder die Perspektive zu ändern, würde höheren Gewinn bringen. Die nächsten Aufführungen des eindrucksvollen Projekts stehen noch nicht fest, doch werden die „Körper (mit) in Zäunen“ im Lauf des Jahres sicher (wie ja der erste Teil des „Squatting Projects“ von Hölbling/Goldring „body in a metal structure“ auch) an mehreren Orten, mit oder ohne Dach darüber, zu sehen sein.



Eine DANS.KIAS Produktion. In Kooperation mit dem Werkstätten- und Kulturhaus WUK. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport.


body in a metal structure

„body in a metal structure“ bildet den Start der „Squatting-Projects“, einer Serie von Tanzperformance-Appointments, die sich parasitär an Orten ansiedeln, an denen sie eigentlich fehl am Platz sind, indem sie vorhandene Strukturen besetzen und an ihren Infrastrukturen schmarotzen: Ein unauffällig unnützes Baugerüst, gleichzeitig mobile Skulptur und Performancestätte, reiht sich in den Wildwuchs von Baustellen, die angesichts ihrer Omnipräsenz bereits unserem Wahrnehmungsfeld entschwinden.
Im Zentrum dieser Skulptur, die immer ein wenig fehl am Platz wirkt, macht sich ein Körper daran, die Beziehungen zu seinem urbanen Umfeld zu dekonstruieren, wobei er ganz diskret Akte des zivilen Ungehorsams setzt.


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In einer Welt aus Autostraßen, grauen Hausfassaden und Baustellen die zu Brachstätten beschleunigt ganz in Werbeflächen aufgehen, groß ausgestellt und von Lichtern zelebriert, um die globalen Bedürfnisse in fortwährenden Konsum zu wandeln, besetzt ein Körper diese Achsen des dirigierten Durchflusses. Macht sich Stahlrohre und scharfe Kanten, herausstehende Schraubenschafte und aufspringende Metallgelenke zueigen, montiert sie zu seinem Heim, kreiert seine eigene Architektur des Begehrens und entwickelt sein eigenes Delirium zwischen Haut und Metall

Saskia Hölbling und Laurent Goldring kreieren mit „body in a metal structure“ ein delikates und stilles organisches Manifest inmitten funktioneller Strukturen, eine neue Form der Kunstokkupation in durchorganisierten Ballungsräumen.


Vor-Premiere: 18. Jänner 2012, WUK, Projektraum, Wien/AT
Uraufführung: 03. Mai 2012, donaufestival, Stadtpark Krems, Krems/AT
Dauer: ca. 60 min.

Choreografie, Inszenierung: Saskia Hölbling, Laurent Goldring; Tanz, Performance, Choreografie: Saskia Hölbling, Rotraud Kerrn; Raum: Laurent Goldring, Gudrun Lenk-Wane; Kostüm: Gudrun Lenk-Wane; Musik, Ton: Nik Hummer, Michael Moser; Licht: Reto Schubiger; Videodokumentation: Peter A. Egger; Management: Simon Hajós

Rezensionen

Hoch von Heidegger komm ich her

Helmut Ploebst, Der Standard, 21.Jänner 2012

So richtig los geht es erst Anfang Mai beim diesjährigen Kremser Donaufestival, aber im WUK fand schon jetzt die Vorpremiere statt: Die Wiener Choreografin Saskia Hölbling präsentierte sich im Projektraum des Kulturzentrums als „body in a metal structure“.

Eine Frau in schwarzen Hosen und schwarzem Shirt – Hölbling selbst – platziert sich Kopf nach unten in einem gut vier Meter hohen Gestell aus Metallröhren, wie sie für Baugerüste verwendet werden. Die geplant instabile Konstruktion (von Gudrun Lenk-Wane) besteht aus einer Pyramide innerhalb eines Würfels. Darin bewegt sich die Tänzerin eine Stunde lang, klettert hoch, lässt sich wieder zu Boden, hängt an den Verstrebungen und rüttelt an ihnen. Das Gestell hält das zwar aus, aber vor allem seine äußeren Teile schwanken gefährlich. Der Symbolwert des Ganzen ist beachtlich. Der Philosoph Martin Heidegger war begeistert von der Idee des „Ge-stells“. Für ihn steht es für alles, was „den Menschen herausfordert, das Wirkliche als Geschaffenes zum Vorschein zu bringen“. Der Bezug zu Heidegger ist keine Spekulation. Denn Hölbling hat ihr Stück zusammen mit dem französischen Künstler Laurent Goldring erstellt. Und der ist bekannt als Philosophie-Aficionado.

Daher passt die Metallstruktur im Stück genau zu dem „Gestänge und Geschiebe und Gerüste“, das für Heidegger „zum Technischen gehört“. Aber man muss kein Philosophiestudium absolviert haben, um zu verstehen, was die Tänzerin – übrigens unter Verzicht auf virtuose Tanz-„Techniken“ – in dem Gerüst umtreibt. Hölbling erforscht diese aufrichtige Männerstruktur und fordert sie heraus: belastet, beunruhigt und durchdringt sie. Währenddessen tauscht sie ihre Hosen gegen einen Rock, zieht ein Jackett über ihr Shirt.

Am Ende verharrt sie wieder kopfüber – allerdings bis auf BH und Slip entkleidet. So stellt sie das Gestell auch als Übertreibung jener Stange dar, um die sich Pole-Tänzerinnen winden. Und Pole-Dance ist zur Zeit sehr populär: gerade außerhalb halbseidener Etablissements als Vergnügen für jedefrau. Er gilt als sexy und bewusstseinsfördernd zugleich. Hölbling scheint Lunte gerochen zu haben. Konsequent dekonstruiert sie den Pole und überführt das Ergebnis in das Künstlerische. „body in a metal structure“ soll ab nun Open Air dort aufgeführt werden, wo das Gestell einen Fremdkörper bildet.

Für Hölbling ist diese Arbeit das erste Statement in einer ganzen Reihe künftiger „Squattings“, Besetzungen von öffentlichen Plätzen. Der Anfang ist gemacht – und absolut gelungen.



Senkrecht im stählernen Raum

Oliver Lang, Kronen Zeitung, 29. Juli 2012

Im öffentlichen Raum - auf der Albertina-Bastei - ein seltsames Gebilde aus Metallstangen, in dem eine schwarz bekleidete Person kopfüber hängt. Es ist die Choreografin und Performerin Saskia Hölbling, die ihren Abend "body in a metal structure" beim ImPulsTanz-Festival zeigt.

Saskia Hölblings Abend (der gemeinsam mit Laurent Goldring erarbeitet wurde) bringt zwar gefährlich wirkende Klettermomente, jedoch keine zirkushafte Artistik: Es geht nicht um die Show, sondern um das Erobern und Erfahren des Gerüsts. Was sieht man? Saskia Hölbling schlingt und schwingt sich durch das große Metallgerüst, wirkt manchmal reptilienhaft, dann wieder offensiv. In wechselnder Bekleidung wird das Objekt erkundet, manchmal hängt sie kopfüber an den Stangen, dann springt sie, klettert, lässt sich fallen, erreicht den Boden. Immer wieder dazwischen der prüfende Blick auf das Gerüst, ein Kräftemessen, ein Abschätzen des Gegenübers. Und langsam ergibt sich das Rohrgebilde, wird aus einem baustellenhaft wirkenden Objekt zu einer Skulptur, die von Hölbling dekonstruiert wurde. Spannend, was sich zwischen gefährlich schwankenden Einzelteilen und dem festen Innenbau ereignet, wie die Bezwingung dieses meterhohen Objekts gestaltet ist.



Eine DANS.KIAS Produktion. Koproduziert vom donaufestival, in Kooperation mit dem Werkstätten- und Kulturhaus WUK, mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur.


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