body in a metal structure: reviews
Der Standard, 21. Jänner 2012
So richtig los geht es erst Anfang Mai beim diesjährigen Kremser Donaufestival, aber im WUK fand schon jetzt die Vorpremiere statt: Die Wiener Choreografin Saskia Hölbling präsentierte sich im Projektraum des Kulturzentrums als „body in a metal structure“.
Eine Frau in schwarzen Hosen und schwarzem Shirt – Hölbling selbst – platziert sich Kopf nach unten in einem gut vier Meter hohen Gestell aus Metallröhren, wie sie für Baugerüste verwendet werden. Die geplant instabile Konstruktion (von Gudrun Lenk-Wane) besteht aus einer Pyramide innerhalb eines Würfels. Darin bewegt sich die Tänzerin eine Stunde lang, klettert hoch, lässt sich wieder zu Boden, hängt an den Verstrebungen und rüttelt an ihnen. Das Gestell hält das zwar aus, aber vor allem seine äußeren Teile schwanken gefährlich. Der Symbolwert des Ganzen ist beachtlich. Der Philosoph Martin Heidegger war begeistert von der Idee des „Ge-stells“. Für ihn steht es für alles, was „den Menschen herausfordert, das Wirkliche als Geschaffenes zum Vorschein zu bringen“. Der Bezug zu Heidegger ist keine Spekulation. Denn Hölbling hat ihr Stück zusammen mit dem französischen Künstler Laurent Goldring erstellt. Und der ist bekannt als Philosophie-Aficionado.
Daher passt die Metallstruktur im Stück genau zu dem „Gestänge und Geschiebe und Gerüste“, das für Heidegger „zum Technischen gehört“. Aber man muss kein Philosophiestudium absolviert haben, um zu verstehen, was die Tänzerin – übrigens unter Verzicht auf virtuose Tanz-„Techniken“ – in dem Gerüst umtreibt. Hölbling erforscht diese aufrichtige Männerstruktur und fordert sie heraus: belastet, beunruhigt und durchdringt sie. Währenddessen tauscht sie ihre Hosen gegen einen Rock, zieht ein Jackett über ihr Shirt.
Am Ende verharrt sie wieder kopfüber – allerdings bis auf BH und Slip entkleidet. So stellt sie das Gestell auch als Übertreibung jener Stange dar, um die sich Pole-Tänzerinnen winden. Und Pole-Dance ist zur Zeit sehr populär: gerade außerhalb halbseidener Etablissements als Vergnügen für jedefrau. Er gilt als sexy und bewusstseinsfördernd zugleich. Hölbling scheint Lunte gerochen zu haben. Konsequent dekonstruiert sie den Pole und überführt das Ergebnis in das Künstlerische. „body in a metal structure“ soll ab nun Open Air dort aufgeführt werden, wo das Gestell einen Fremdkörper bildet.
Für Hölbling ist diese Arbeit das erste Statement in einer ganzen Reihe künftiger „Squattings“, Besetzungen von öffentlichen Plätzen. Der Anfang ist gemacht – und absolut gelungen.
Helmut Ploebst
Kronen Zeitung, 29. Juli 2012
Im öffentlichen Raum - auf der Albertina-Bastei - ein seltsames Gebilde aus Metallstangen, in dem eine schwarz bekleidete Person kopfüber hängt. Es ist die Choreografin und Performerin Saskia Hölbling, die ihren Abend "body in a metal structure" beim ImPulsTanz-Festival zeigt.
Saskia Hölblings Abend (der gemeinsam mit Laurent Goldring erarbeitet wurde) bringt zwar gefährlich wirkende Klettermomente, jedoch keine zirkushafte Artistik: Es geht nicht um die Show, sondern um das Erobern und Erfahren des Gerüsts. Was sieht man? Saskia Hölbling schlingt und schwingt sich durch das große Metallgerüst, wirkt manchmal reptilienhaft, dann wieder offensiv. In wechselnder Bekleidung wird das Objekt erkundet, manchmal hängt sie kopfüber an den Stangen, dann springt sie, klettert, lässt sich fallen, erreicht den Boden. Immer wieder dazwischen der prüfende Blick auf das Gerüst, ein Kräftemessen, ein Abschätzen des Gegenübers. Und langsam ergibt sich das Rohrgebilde, wird aus einem baustellenhaft wirkenden Objekt zu einer Skulptur, die von Hölbling dekonstruiert wurde. Spannend, was sich zwischen gefährlich schwankenden Einzelteilen und dem festen Innenbau ereignet, wie die Bezwingung dieses meterhohen Objekts gestaltet ist.
Oliver Lang
tanz.at, 31. Juli 2012
Unter freiem Himmel, auf der Terrasse der Albertina, ein metallenes Gerüst – Eine Skulptur von Gudrun Lenk-Wane, die es zu erobern gilt. Das Gestänge im ungewohnten Ort steht für die Hürden und Irritationen in der Stadt.
Egal, ob man die im Programmheft erläuterten Intentionen der Tänzerin und Choreografin Saskia Hölbling und des Medienkünstlers und Philosophen Laurent Goldring liest und versteht oder sich einfach von der metallenen Architektur inmitten der historischen Gebäude (von der Oper über die Hofburg zur Albertina) und des damit kommunizierenden Körpers einfangen lässt: „body in a metal structure“ ist eine faszinierende Performance. Ganz anders als bei der Voraufführung, die im geschlossenen Raum stattgefunden hat, wirkt schon die in den Himmel aufragende Skulptur, die von Nik Hummer zum klingen (seufzen, jammern, klopfen, singen) gebracht wird.
Die Tänzerin, anfangs ganz in Schwarz gehüllt, hängt kopfüber, gefangen in dem Gestänge, klettert dann hoch hinauf, bis an die Spitze. Ist winzig klein und zerbrechlich inmitten der harten Materie. Noch kämpft sie mit den mitunter schwingenden, ausweichenden Teilen, tastet vorsichtig mit Füßen und Händen, wird immer sicherer. Während der Mond dunstig umrahmt herauf segelt, zieht sich die Turnerin einen Rock an, wird zur Frau, die sich anschickt mit der Materie zu kommunizieren, Vertrauen aufzubauen, sie zu erobern. Geschmeidig gleitet der Körper durch das Labyrinth der kunstvollen Architektur, bietet sich der längst nicht mehr feindlichen Materie mit geöffneten Beinen dar, um sich, wenn das letzte Tageslicht geschmolzen ist, der Kleider zu entledigen, in schwarzer Spitzenunterwäsche wieder kopfüber an den Stangen zu hängen. Nicht mehr als Gefangene sondern jetzt als freiwillig Hingegebene. Der Körper ist Eins mit der metallischen Struktur.
Ditta Rudle